Die Bildhauer-Durststrecke ist beendet
Ausstellung mit Skulpturen und Zeichnungen von Josef Nadj am Sonntag eröffnet – Besucher im Kerg-Museum waren fasziniert
Ausstellung mit Skulpturen und Zeichnungen von Josef Nadj am Sonntag eröffnet – Besucher im Kerg-Museum waren fasziniert
Von Günther Grosch
Schriesheim. Syenit aus den Vogesen und Diabas, das in der Urzeit bei Vulkanaus- brüchen unter Wasser entstand, dazu Serpentin, Impala und Lapislazuli, Azul Ma- caubas und Tauerngrün, Gneis und Jura- Marmor: Steine und Gesteine, die man- cher noch nicht einmal von ihrem Namen her kennt, verarbeitet der in Jugoslawien geborene Steinbildhauer und Zeichner Jo- sef Nadj zu faszinierenden Skulpturen.
In der Bearbeitung des Steins als Teil der Natur nähert sich der 65-jährige Künstler, der auch ehrenamtlicher Ortsvorsteher von Dettingen in Horb am Neckar ist, der Natur an und will „mit ihr in Kontakt treten“, wie er selbst sagt. Mit seinem Handwerk sucht Nagj die Herausforderung und gelangt nicht selten an die Grenzen des Machbaren. Der Kulturkreis Schriesheim zeigt im Museum Théo Kerg 18 seiner faszinierenden Werke.
Es sei schon „eine gefühlte Ewigkeit her“, dass dort ein Bildhauer seine Arbeiten präsentiert habe, so Leiterin Lynn Schoene am Sonntag bei der Ausstellungs- eröffnung. Umso grandioser falle jetzt dieses „Comeback“ aus und entschädige die Kunstfreunde für die lange Durststrecke. Mit Künstlerkollege Tom Feritsch verfolge sie das Schaffen des Meisterschülers von Herbert Baumann an der Kunstakademie Stuttgart schon lang, sagte Schoene. „Irgendwann muss er mal nach Schriesheim kommen“, waren sich beide einig.
Zu Beginn seines Schaffens sei bei Nadj die Figuration Ausgangspunkt seiner künstlerischen Überlegung gewesen, sagte Kunsthistorikerin Maria Lucia Weigel, die den Besuchern seinen Schaffens- und Entstehungsprozess näherbrachte. Im Fokus stehe jetzt die einzigartige Gestalt des Steins, die dem Prozess seiner Bearbeitung die Richtung vorgibt, so Weigel. Nadj sei fasziniert von der Form, die der frei ge- brochene Stein aufweist – „gesteigert noch dadurch, dass jede Gesteinsart eigene Materialeigenschaften mit sich bringt“. Womit aber nicht nur Farbe und Binnen- struktur gemeint seien, sondern der Bewegungsimpuls, der im Stein angelegt ist. Dieser offenbare sich dem Künstler im Betrachten des Werkstücks. Er wird im Steinbruch „nach dem Augenschein und der Idee ausgewählt, die sich dem Bild- hauer beim Anblick zeigt“.
Seine mit Diamant- wie Kettensäge, Schleifen und Polieren realisierte Idee könne sich aber noch wandeln, wenn das Stück angeliefert wird. Weigel zitierte dazu Nadj selbst: „Wir können miteinander. Es ist das Formangebot durch den Stein, das mich anspricht.“
Als „sensationell“ bezeichneten Besucher zum Beispiel einen „Taster“, der die Biegsamkeit des vulkanischen Diabasesbis zum Äußersten ausreizt. Auf zwei kleinen Standflächen aufliegend, biegt sich die bandartig konzipierte Skulptur, ohne zu zerbrechen, wenn sie angehoben wird. Knapp drei Dutzend Feder- und Tusche- zeichnungen runden das Werk ab. „Nadj betrachtet sie als autonome Werke, die nicht als Werkskizzen zu verstehen sind“, klärte Weigel auf. „Stattdessen spielt er in ihnen formale Ideen auf dem Papier durch, die sich auch in plastischer Gestalt im Werk manifestieren.“ Sie bringen das Grafische als Pendant des Plastischen zur Geltung.
Das Freigeben einer Arbeit bedeute für ihn keinen Abschied, sagte Nadj. Er wolle mit seinen Werken Impulse in den Raum stellen, „in denen jeder seine eigenen Emp- findungen ausleben kann“. Auch bei ihm veränderten sich die Empfindungen beim Betrachten der Werke mit der Zeit. „Wenn bei Ihnen aber gar nichts passiert, ist das auch nicht schlimm“, tröstete Nadj: „Dann kommen Sie einfach noch einmal.“
Info: Josef Nadj: „Skulptur und Zeichnung“, Museum Théo Kerg, Talstraße 52,
bis 28. Oktober; mittwochs von 17 bis 19 Uhr, samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr und nach Vereinbarung.
RNZ von Montag, 25. September 2018