Sehnsucht nach dem Frühlingserwachen

Erstellt von greg |

„Für die schnellen Läufe braucht es nur Übung. Aber für die langsamen Passagen braucht man eine Portion Courage und keine Angst vor dem Ton.“ Wenn Sologitarristin Heike Matthiesen solche Rezepte vorstellt, hört sich das alles ganz einfach an. Doch tatsächlich zog sie ihr Publikum bei der gestrigen Dreikönigsmatinee des Kulturkreises (KKS) mit ihrer Kunst derart in den Bann, dass die Zuhörer atemlos lauschten.

Ihre sanfte und bisweilen spritzige Spieltechnik, verbunden mit einem einfühlsamen Spielstil, fesselte die Zuhörer im vollen Saal des Restaurants „Hirsch“. Entfachte sie im zurückliegenden Jahr andernorts mit Flamencorhythmen das spanische Feuer, so verzauberte sie ihre Fans jetzt mit Werken klassischer Komponisten wie Mozart, Chopin oder Schubert - Werk und Instrument in ungewohntem Zusammenklang.

Als KKS-Schatzmeister Christian Glocker einen unvergesslichen Vormittag ankündigte, versprach er nicht zu viel. „Ich bin mehr als beeindruckt, ich bin einfach überwältigt“, bekannte Renate Weisbrod aus Mannheim am Ende des Konzerts. „Es ist einfach unglaublich, welche Klangfarben sie aus ihrem Instrument heraus gezaubert hat“, schwärmte eine weitere Besucherin.

Zu Mozarts Zeiten steckte die sechssaitige Gitarre allerdings noch in den Kinderschuhen, erzählte die Künstlerin. Spätere Werke wurden bearbeitet, wie das lyrische „Fischermädchen-Liebesbotschaft-Ständchen“ von Franz Schubert, das eine Sehnsucht nach Frühlingserwachen anklingen ließ, ebenso wie die sechs Variationen von Joseph Kreutzer (1790-1840), „Wer ein Liebchen hat gefunden“. Selbst ein Beethoven-„Andante“ hatte auf der Gitarre ein gewisses Etwas.

Die Variationen zu Mozarts „Zauberflöte“, die die Pariser Komponistin Athenais Paulian um 1820 für Gitarre konzipierte, seien bis vor drei Jahren noch nicht veröffentlicht worden, berichtete die Künstlerin und bekannte: „Für mich ist dieses Stück auch so etwas wie eine persönliche Premiere.“ Weitere Interpretationen ihre Werke sollen dieses Jahr folgen. Dramatisch wurde es beim „Preludio de Chopin“, das der gebürtige Pole während eines Winteraufenthalts in Spanien schrieb. Er habe damals geäußert, „schöner als eine Gitarre klingen zwei Gitarren.“

Die Matinee begann mit Mozarts „Don Giovanni“, und mit dieser großen Oper endete sie auch. Und zwar mit der Arie „Reich mir die Hand, mein Leben“, brillant für Gitarre gesetzt von dem in Polen geborenen Jan Nepomucem de Bobrowicz (1805-1881); seinerzeit ein Wunderkind auf der Gitarre, bewunderte auch Franz Liszt sein „hoch virtuoses Spiel“, das im Gitarrensatz wirkungsvoll zur Geltung kam. So ließen die Zuhörer Matthießen nicht ohne eine Zugabe von der Bühne. Und noch einmal kam „Don Giovanni“ zu Wort, dieses Mal in einer Fassung von Paganini. Während manche Zuhörer noch ganz von der Musik ergriffen den Heimweg antraten, klang der Vormittag für die anderen schließlich mit einem opulenten Menü im Gastraum aus. greg

© Mannheimer Morgen, Montag, 07.07.2019

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